SARS-CoV-2 wird landläufig auch als „neuartiges Coronavirus“ bezeichnet. Neu und noch reichlich unbekannt … In der Forschung beginnt man erst nach und nach zu begreifen, wie es funktioniert. Doch es braucht Zeit, um sichere Erkenntnisse zu gewinnen. Bis es so weit ist, werden zahlreiche Hypothesen aufgestellt, und einige davon werden massenhaft im Internet und den sozialen Netzwerken verbreitet. Wie zum Beispiel die, dass Tabak gegen COVID-19 schützen könnte. Im Folgenden fassen wir zusammen, was man zu dieser Frage weiß und was (noch) nicht.
Dabei allem voran ein entscheidender Hinweis: Das, was möglicherweise schützt, ist Nikotin, nicht Tabakrauch. Man muss hier deutlich zwischen dem Konsum von Tabak und Nikotin unterscheiden. Nikotin ist in Tabak enthalten, aber auch in bestimmten Liquids für E-Zigaretten und anderen pharmakologischen Produkten, die einem helfen können, das Rauchen aufzugeben, z. B. in Nikotinpflastern. Um zu überprüfen, ob Nikotin eventuell eine Schutzwirkung hat, hat ein französisches Forschungsteam eine Studie initiiert, bei der COVID-19 Patienten und das zuständige medizinische Personal Nikotinpflaster tragen sollen.
Im Rahmen von zwei Studien (einer chinesischen und einer amerikanischen) wurde festgestellt, dass unter den wegen COVID-19 intensivpflichtigen Patientinnen und Patienten relativ wenige Rauchende waren. Allerdings scheinen in beiden Studien größere methodische Unschärfen bei der Auswahl der beobachteten Personengruppen vorzuliegen. So wurde das Durchschnittsalter der Patienten und Patientinnen, gleichwohl ein Risikofaktor für einen schweren Verlauf von COVID-19, nicht berücksichtigt. Dass unter den intensivpflichtigen Patientinnen und Patienten so wenige Rauchende waren, könnte etwa auch daran liegen, dass mit steigendem Alter immer weniger Menschen rauchen.*
Angesichts der bemerkenswerten Ergebnisse der chinesischen und der amerikanischen Studie hat ein französisches Forschungsteam den Forschungsansatz vertieft und den Tabakkonsum von weniger schweren COVID-19-Fällen unter Berücksichtigung von Geschlecht und Alter untersucht. Auch im Rahmen der französischen Studie wurde beobachtet, dass weniger Gewohnheitsrauchende unter den COVID-19-Patientinnen und -Patienten waren, als es angesichts des Anteils an Rauchenden in der französischen Bevölkerung insgesamt zu erwarten gewesen wäre. Doch Vorsicht ist geboten – es handelt sich lediglich um eine Beobachtung, ein Ursache-Wirkung-Zusammenhang besteht nicht.
Zwei französische Dampfer-Verbände (für Konsumenten und Konsumentinnen von E-Zigaretten) haben Anfang April eine Eil-Umfrage im Internet lanciert. Diese Datensammlung hält zwar wissenschaftlichen Ansprüchen nicht ganz stand, doch aus der Analyse der Antworten von 4.000 E-Zigarettenraucherinnen und -rauchern lässt sich dennoch eine Tendenz ablesen: Einen Hinweis auf eine tatsächliche Schutzwirkung von Nikotin gegenüber COVID-19 gibt es nicht.
Zum besseren Verständnis der ACE2-Rezeptoren, über die das neuartige Coronavirus in die menschlichen Zellen gelangt, sowie darüber, wie Nikotin auf diese Rezeptoren wirkt, sind noch weitere Studien notwendig. In Frankreich haben bereits klinische Studien begonnen. Die Forschenden raten jedoch dringend davon ab, vorbeugend Nikotin zu konsumieren, bevor tragfähige Ergebnisse vorliegen, da die damit verbundenen Gesundheitsrisiken größer sind als der zu erwartende Nutzen.
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